Musiklexikon I-L

I

Imitation

Imitation (lat.: imitatio = Nachahmung) meint die Nachahmung eines Motivs oder einer Melodie in den verschiedenen Stimmen eines polyphonen Musikstücks (Kontrapunkt), z. B. einer Fuge. Die Tonfolge wird dabei identisch oder ähnlich wiedergegeben. Die Imitation ist eine Kompositionstechnik, die von der mehrstimmigen Musik des Mittelalters bis zur Wiener Klassik zu finden ist, seltener in späteren Epochen.

Impressionismus

Impressionismus (franz.: impression = Eindruck) Der aus der Malerei stammende Begriff wird für die französische Musik um 1900 verwendet und überwiegend auf das Werk von Claude Debussy und Maurice Ravel bezogen. Deren Kompositionen gehen meist von einer außermusikalischen Idee (Programm) aus; die Themen sind häufig der Natur abgeschaut (z. B. Jeux d'eau - Wasserspiele - von Ravel, 1901) und zeichnen Stimmungen nach (z. B. Clair de Lune - Mondschein - von Debussy, 1905). Auch musikalische Formen (z. B. in La Valse - Walzer - von Ravel, 1919/20) oder Märchen (z. B. in Ma Mére l'Oye - Meine Mutter Gans - von Ravel, 1908/10) werden zur Grundlage von Tonmalereien. Impressionistische Musik ist frei in der Form, reich an orchestralen Klangfarben, zwar tonal gebunden, aber schon jenseits der traditionellen Harmonielehre mit ihren Funktionen. Sie liefert Klanggemälde, die - ähnlich wie impressionistische Malerei - Eindrücke vermitteln, Assoziationen und Vorstellungen hervorrufen. Dazu bedienen sich Debussy und Ravel kompositorischer Mittel wie z. B. der Parallelverschiebung von Akkorden, Dissonanzen, Ganztonskalen, Pentatonik, Kirchentonarten und Elemente orientalischer, insbesondere javanischer Musik, die zwar teilweise archaisch sind, aber im Kontrast zu den romantischen Klangwelten des 19. Jahrhunderts neu, reizvoll, fremd bis exotisch wirken. Der Begriff Klangfarbe erhält bei den Impressionisten einen neuen Sinn: Alle musikalischen Elemente werden nach ihren Klangfarbenwerten eingesetzt.

Impromptu

Impromptu (franz. = improvisiert) bezeichnet im 19. Jahrhundert ein Charakterstück für Klavier. Bekanntlich sind vor allem die Impromptus von Franz Schubert, Frédéric Chopin und Robert Schumann. Ein Impromptu ist an kein Formschema gebunden; der Komponist kann hier seine gestalterischen Mittel frei einsetzen.

Improvisation

 

Improvisation (lat.: ex improviso = unversehens, in unvorhersehbarer Weise) ist das freie, spontane Ausführen von Musik. Ihr Gegenteil ist die Komposition, an deren Beginn jedoch häufig auch Improvisation steht. Freies Fantasieren auf dem Klavier war beispielsweise die Vorstufe vieler Sonaten Beethovens. Bach pflegte auf der Orgel zu improvisieren, Mozart auf dem Klavier. Sie alle hatten viele unvorhergesehene, ungeplante, improvisierte Ideen, die sie erst später in Notenschrift festhielten un zu Kompositionen ausbauten.

In der klassischen Musik haben sich im Laufe der historischen Entwicklung die improvisatorischen Musikformen zurückgebildet. Sie ist in der Hauptsache eine komponierte Musik und dem Prinzip der Werktreue verpflichtet. Freiheiten gibt es nur bei der Interpretation, aber selten durch Hinzufügen neuer Noten.

Das war nicht immer so. Noch im Generalbasszeitalter hatte z. B. der Cembalo-Spieler verschiedene Möglichkeiten, einen vorgeschriebenen Akkord auszuführen. An bestimmten Stellen im Solo-Konzert, der (Solo-)Kadenz, erhielt früher der Solist Gelegenheit, sein Können durch eine Improvisation unter Beweis zu stellen. Ähnliche Möglichkeiten hatten in der italienischen Oper auch die Sängerinnen. Ein Haltepunkt, die Fermate, am Ende einer Arie erlaubte improvisierte, brillante Läufe.

Im 20. Jahrhundert starb diese Kunst fast aus, und im normalen Konzert wird in der Regel nicht mehr improvisiert. In einem Klavierkonzert übernimmt beispielsweise der Pianist meist eine Kadenz, die der Komponist selbst geschrieben hat.

Ganz anders ist es im Jazz. Hier ist die Improvisation die Grundlage der Musizierpraxis, Komposition spielt eine geringere Rolle und wird meist durch das Arrangement ersetzt. Jazzkompositionen haben oft nur den Sinn, einen Rahmen und Startpunkt für die Improvisation zu liefern. Die Improvisation in traditionellen Jazz-Stilen und in der Tanzmusik ist streng geregelt, damit mehrere Musiker bei einer Kollektivimprovisation zusammenspielen können. Dazu müssen die Harmonien (changes) vorher festliegen und allen Teilnehmern bekannt sein, ebenso Thema, Grundrhythmus und Formablauf, der u. a. den Wechsel zwischen Kollektiv- und Soloimprovisation regelt. Ein kompletter Durchgang der changes heißt im Jazz chorus.

In der Praxis haben sich Grundtypen herausgebildet, die häufig vorkommen. Harmonisch sind dabei die Akkorde der 2., 5. und 1. Stufe (Harmoniefolge II-V-I, die Jazzkadenz) wichtig, formal und melodisch das 4x8taktige Standard-Formschema (32 Takte) in Verbindung mit bestimmten Standardrhythmen wie Swing und Latin.

Ein Beispiel aus der Praxis: Die Vereinbarung "rhythm-changes in F" ermöglicht sofort eine gemeinsame Standardimprovisation der Jazzband. Der Ausdruck bedeutet: Improvisation über das Harmonieschema I-VI-II-V (auch "1625" genannt), das nach dem Hit I Got Rhythm von George Gershwin so getauft wurde. In F-Dur sind das die Akkorde F-Dur (I), D-moll (VI), G-moll (II) und C7 (V). Jetzt muss nur noch die Taktlänge für jeden Akkord und die Abfolge der Improvisationen festgelegt werden. Zuerst könnte das Saxophon improvisieren, dann das Klavier usw., während alle anderen begleiten. Natürlich kann auch das Schlagzeug drankommen, das auf die Akkordfolge nur bei Formeinschnitten, nach 32 Takten z. B., Rücksicht nehmen muss. Es liefert auch den anderen Mitspielern durch breaks, das sind charakteristische Melodieteile an Übergangsstellen, Hinweise, cues, auf den Formverlauf. Die Standardimprovisation hat dazu geführt, dass sich viele feste melodische Floskeln ausgebildet haben, auf die ein Musiker beim Improvisieren bewusst oder unbewusst zurückgreift. Das birgt die Gefahr, dass abgestandene Klischees entstehen, weil sie zu oft zum Einsatz kommen.

Improvisation beruht also meist auf mehr oder minder stillschweigenden Voraussetzungen und ordnenden Absprachen. Wie weit eine völlig voraussetzungslose freie Improvisation überhaupt möglich ist, ist umstritten. Vertreter avangardistischer Stilrichtungen behaupten es oft. Im Free Jazz hat das Improvisieren ohne genaue Absprachen seinen festen Platz, ebenso in der Neuen Musik. Auch die Rockmusik kennt diese Art der Improvisation.

Auf improvisatorische Formen gehen zurück u. a. das Präludium, die Toccata, das Impromptu, die Fantasie.

Instrumentalmusik

 

Instrumentalmusik nennt man alle Musik, die ohne Gesang oder sonstige Bindung an Sprache nur von Instrumenten ausgeführt wird. In der Geschichte der abendländischen Kunstmusik, die stark von der Kirchenmusik geprägt ist, dominierte anfangs die für Sakralmusik charakteristische Vokalmusik (Musik für Gesangsstimmen) ohne Begleitung durch Instrumente. Im frühen Mittelalter war Instrumentenmusik - mit wenigen Ausnahmen - den kirchlichen Machthabern suspekt; sie galt als sinnlich aufreizend, als heidnischen oder gar teuflischen Ursprungs.

Unberührt von der Ächtung durch die Kirche spielten die Menschen jedoch auch damals schon Tanzmusik auf Instrumenten und begleiteten ihre Lieder instrumental. Die frühesten schriftlich überlieferten Instrumentalstücke sind Tänze aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Stücke für Orgel und für Laute folgten im 15. Jahrhundert, zum Teil kunstvolle Auszierungen von bekannten Melodien, zum Teil freie Kompositionen. Im 16. Jahrhundert entstanden in England zahlreiche eigenständige Kompositionen für das Virginal (eine frühe Form des Cembalos bzw. Klaviers). Um diese Zeit wurde die Instrumentalmusik selbständig, d. h. es entstanden nun Gattungen ohne jede Bindung an Gesang oder Kirche. Mit Werken für mehrere Instrumente (Blas- und Streichinstrumente), die als ein Gegengewicht zu der hoch entwickelten Vokalmusik jener Zeit gelten können, trat als einer der ersten Giovanni Gabrieli hervor. Er übertrug das Prinzip der vokalen Mehrchörigkeit auf Instrumente und schuf damit die Grundlagen einiger Formen der barocken Instrumentalmusik (Canzona, Sonata). Eigenständige Formen der barocken Instrumentalmusik sind z. B. das Concerto und die Suite bzw. Ouvertüre. In der Epoche der Vorklassik und der Wiener Klassik wurde die Sinfonie zur zentralen Gattung. Im 19. Jahrhundert entfalteten sich besonders Programmmusik und sinfonische Dichtung; auch verschiedene Formen und Gattungen innerhalb der Klaviermusik nahmen einen breiten Raum ein. Vom 18. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert spielte auch die Kammermusik eine bedeutende Rolle, ferner alle Arten von Konzertstücken für ein Soloinstrument und Orchester.

Instrumentation

Instrumentation oder Orchestrierung nennt man die Aufbereitung eines Musikstücks für die Instrumente des Orchesters. Manche Komponisten orchestrieren ihre Kompositionen sofort, andere fixieren zunächst Vorstadien für ein oder mehrere Instrumente, die sie dann in einem späteren Arbeitsgang für das gesamte Orchester ausarbeiten. Von Orchestrierung spricht man auch dann, wenn etwa ein Chorsatz oder ein Klavierstück in eine Orchesterfassung übertragen wird.

Die Arbeit mit dem Instrumentarium des Orchesters stellt besonders hohe Anforderungen an den Komponisten. Er muss die Klang- und Ausdrucksmöglichkeiten aller Orchesterinstrumente genau kennen und sie der Struktur seines Werkes entsprechend einsetzen. So nutzt der Komponist beispielsweise die Klangfarbe und Lautstärke der verschiedenen Instrumentengruppen für Kontrastbildungen (z. B. Streiche gegen Bläser), bestimmte Charakteristika einzelner Instrumente für besondere Effekte (z. B. die höchste Lage des Fagotts für komische Wirkungen, das Glockenspiel für einen "Glitzereffekt", den Gong für dunkle, unheimliche Stimmungen). Er weiß, welche Instrumente oder Instrumentengruppen klanglich miteinander verschmelzen (Verschmelzungsklang) und welche nicht (Spaltklang).

Komponisten aller Epochen haben versucht, mit ihren Kompositionen die technischen Möglichkeiten der vorhandenen Instrumente auszuschöpfen und die spezifische Klangfarbe jedes Instruments optimal zur Geltung zu bringen. Gesteigerte Anforderungen an die Instrumente führten oftmals zur Weiterentwicklung vorhandener und zur Erfindung neuer, leistungsfähigerer Instrumente. Im 20. Jahrhundert eröffnen vor allem die elektronischen Musikinstrumente neue Klangwelten. Instrumentalklänge können damit nachgeahmt, aber auch gänzlich neue Klänge realisiert werden. Ebenso liegen in der Kombination von Orchesterinstrumenten und bespielten Tonbändern reizvolle neue Instrumentationsmöglichkeiten. Auch durch ungewöhnliche Spieltechniken akustischer Instrumente entstehende Klangfarben (z. B. mit Papier oder Nägeln präpariertes Klavier, Querflöte ohne Mundstück gespielt, Violine mit dem Holz des Bogens geschlagen) bringen neue Aspekte für die Instrumentation.

Zur Instruktion für ihre Kollegen schrieben einige Komponisten Instrumentationslehren. Berühmt ist die Instrumentationslehre von Hector Berlioz (1844) und ihre Ergänzung durch Richard Strauss (1905).

Instrumente

Instrumente (lat.: instrumentum = Werkzeug) sind Geräte und Apparaturen, mit denen man Töne und Klänge hervorbringen, also Musik machen kann. Auch die menschliche Stimme ist im weiteren Sinne ein Instrument.

Ausgrabungen belegen, dass die Menschen schon in der Steinzeit Musikinstrumente benutzten. Die ältesten Instrumente sind Hörner und Flöten, Rasseln und Trommeln. Im Altertum kannte man bereits Zupfinstrumente, Trompeten und Doppelrohrblattinstrumente. Die Entwicklung unserer heutigen Orchesterinstrumente begann in der Renaissance (15./16. Jahrhundert) und war im 19. Jahrhundert im wesentlichen abgeschlossen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war das Klangideal eine möglichst geräuscharme, saubere nd ausgeglichene Tongebung. Neue Spieltechniken, die Einflüsse anderer Musikkulturen und die Entwicklung elektronischer Instrumente weiteten die instrumentale Vielfalt im 20. Jahrhundert erheblich aus.

Die Instrumentenkunde, Teildisziplin der Musikwissenschaft, teilt die heute gebräuchlichen Instrumente in 5 Gruppen ein:

Idiophone (Selbstklinger); hierzu gehören z. B. Glocken, Xylophon, Kastagnetten, Becken, Gong, Glasharmonika - Instrumente also, deren Körper selbst schwingt und Töne erzeugt. Sie bestehen aus Holz, Metall, Stein oder Glas und werden durch Schlagen, Schütteln, Schrapen oder Reiben in Schwingung versetzt.

Membranophone (Fellklinger); hierzu gehören einfellige und zweifellige Trommeln und die Pauke. Der Ton wird durch eine Membran erzeugt, die durch Schlagen oder Reiben in Schwingungen versetzt wird.

Chordophone (Saitenklinger); hierzu gehören alle Zupf- und Streichinstrumente sowie Tasteninstrumente mit Saiten (Cembalo, Klavier). Der Ton entsteht durch Saiten, die durch Anreißen, Anschlagen, Reiben oder Streichen in Schwingungen versetzt werden.

Aerophone (Luftklinger); hierzu gehören alle Holz- und Blechblasinstrumente, die Orgel und das Akkordeon mit ihren Verwandten. In Aerophonen schwingt eine Luftsäule, deren Länge durch Klappen, Tasten oder Ventile verändert wird.

Elektrophone (Elektrische Instrumente); hierzu gehören z. B. Hammondorgel, E-Piano und Synthesizer. Der Ton wird entweder direkt auf elektronischem Wege gebildet oder durch die elektronische Verstärkung mechanisch erzeugter Klänge.

Der Instrumentenbau ist ein bedeutender Wirtschaftszweig - heute vor allem durch die weite Verbreitung des elektronischen Instrumentariums in der populären Musik. Der Geigenbau besitzt vor allem in Italien eine Tradition, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht; der Orgelbau blühte im 16.-19. Jahrhundert vor allem in Spanien, Frankreich und Deutschland. Klavierbauer (d. h. auch die Hersteller von Cembali, Klavichorden, Virginalen usw.) gab es bereits im 15. Jahrhundert. Die heute angesehensten Klavierfabrikate werden seit Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut.

Interludium

Interludium (lat. = Zwischenspiel) oder Intermedium nannte man im 15.-18. Jahrhundert ein Musikstück, das in einen größeren Zusammenhang eingefügt wurde, z. B. zwischen zwei Akte eines Schauspiels oder einer Oper, auch zwischen einzelne Sätze von Suiten und Sonaten oder zwischen die gesungenen Strophen eines Kirchenliedes. Ein Interludium kann improvisiert oder komponiert sein, es kann rein instrumental, vokal oder gemischt besetzt sein. In szenischer Form oder als Tanz tritt es häufig in der Oper des 17./18. Jahrhunderts auf - als Pausenfüller oder zur Überbrückung des Umbaus auf der Bühne - und besitzt oft eine eigene, abgeschlossene Handlung. Vom 18. Jahrhundert an wird das Intermedium zu einem selbständigen Stück. Als Intermezzo (ital. = Zwischenakt) tritt es z. B. als heiterer Einschub in ernsten Opern (Oper seria) auf. Aus diesem heiteren Zwischenspiel entwickelte sich die Opera buffa (Oper). Im 19. Jahrhundert bezeichnet Intermezzo allgemein ein instrumentales Zwischenspiel und speziell auch ein Charakterstück für Klavier. Bekannte Beispiele stammen von Robert Schumann und Johannes Brahms.

Internationale, Die

Internationale, Die "Völker hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!" Diese Worte bilden den Refrain des bekanntesten Kampfliedes der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung. In Frankreich zur Zeit der Pariser Kommune entstanden - Text: Eugène Pottier (1871), Melodie: Pierre Degeyter (1888) -, wurde das Lied in viele Sprachen übersetzt und war von 1918 bis 1943 Nationalhymne der Sowjetunion.

Interpretieren und Verstehen von Musik

Interpretieren und Verstehen von Musik Wir erleben und genießen gerne Musik, hören uns hinein in ihre Klänge und Rhythmen un lassen uns auf das Angebot ein, in eine Welt der Träume einzutauchen, die weit entfernt scheint von den Anstrengungen unseres Alltags. Musik besänftigt uns, erregt uns, stimmt uns feierlich oder animiert uns, Musik wirkt - so oder so - auf uns, ohne dass wir und bewusst sind, auf welche Weise dies geschieht. Es ist auch nebensächlich, ob wir als Liebhaber klassischer Musik auf "schöne Stellen" lauern oder der Faszination eines Pop-Stars erliegen, unsere Emotionen diktieren unser Verhalten. Dabei ist es keineswegs so, dass die Wirkung von Musik ausschließlich als psychisch-emotionaler Vorgang stattfindet, auch verstandesgeleitete Prozesse laufen bei der Wahrnehmung von Musik im Hörer ab, wir registrieren dies nur recht selten.

Dass die Wirkung von Musik kalkulierbar und kalkuliert ist, bemerken wir im Supermarkt spätestens an der Kasse, wenn uns die kaum wahrnehmbare dezente Hintergrundmusik in angenehm empfundene Kauflaune versetzt hat. Als funktionelle Musik dient hier im Kaufhaus oder anderswo die musikalische Berieselung einer ausgetüftelten Verkaufsstrategie. Die Musik, die wir hören, ist gekoppelt an Absichten und Interessen (Intentionen). Musik erfüllt eine Funktion.

Einmal aufmerksam geworden, stellen wir diesen Sachverhalt auch bei anderen Gelegenheiten fest. In der Kirche oder bei vergleichbaren Anlässen verstärkt Musik die religiöse Aufnahmebereitschaft der Gläubigen. Musik löst feierliche und ernste Gefühle aus und macht diese z. B. der Verherrlichung eines Heiligen oder eines Monarchen dienstbar. Musik steht nicht für sich, sondern übernimmt auch hier Funktionen. Sie verhilft auch ideologischem Gedankengut zu Durchsetzung und Anerkennung, indem sie Gemeinschaftssinn in sozialen gruppen schafft - sei es beim Singen der Nationalhymne, im Popkonzert oder als Kampflied. Sie kann also als Hilfsmittel für die Herstellung von Kollektivverhalten ebenso wie als Fluchtburg aus dem Alltag dienen.

Die Einsicht, dass Musik in Funktionszusammenhängen auftritt, wirft nicht nur ein besonderes Licht auf die Vorgänge beim Hören (Rezeption), sondern richtet auch das Augenmerk auf die Produktion eines musikalischen Werkes. Uns begegnet es zunächst als von allen Zusammenhängen losgelöstes Werk, als Kunstwerk. Aber sin Gestalt und Inhalt nicht auch abhängig von ihrer Funktion? Und wie steht es mit dem Komponisten, der es mit einer Mitteilungsabsicht, einer "Botschaft", versehen hat, die wir entschlüsseln sollen? Wollen wir, dass sein Werk bei uns richtig (d. h. im Sinne des Komponisten) ankommt, müssen wir zu verstehen versuchen, was die Voraussetzungen und Bedingungen unseres Hörerlebnisses sind.

Dem Vorgang des Verstehens liegt zunächst eine einfache Ausgangssituation zugrunde: Ein Komponist setzt sich ans Klavier, erfindet ein Musikstück und spielt es einem unmittelbar anwesenden Zuhörer (Rezipient) vor. Zwischen Komponist und Hörer gibt es eine direkte Kommunikation. Die Kommunikationssituation, die beide Personen umfasst, ist sowohl Entstehungssituation des Werkes (mit Blick auf den Komponisten) als auch Rezeptionssituation (mit Blick auf den Hörer). Und sie ist zugleich auch Aufführungssituation (Komponist spielt Klavier). Für das Verstehen des Werks liegen optimale Bedingungen vor: Der Hörer kann unmittelbar nachfragen, der Komponist kann unmittelbar die Wirkung seines Werkes wahrnehmen und kontrollieren, der Vortrag des Werkes durch ihn selbst ist zudem originalgetreu. Eine solche mündliche Kommunikation, in der Intentionen des Komponisten und Erwartungen des Hörers, Produktions- und Rezeptionsbedingungen direkt miteinander in Verbindung treten, ist allerdings nicht die Regel.

Normalfall der Rezeption ist die zeitliche Trennung von Hörer und Komponist. Das Werk liegt als Notentext vor, muss also gelesen oder aufgeführt werden. Rezeptionssituation und Aufführungssituation fallen zusammen, davon abgetrennt durch zeitlichen Abstand ist die Entstehungssituation.

Der Rezipient hat also nur das durch die Aufführung vermittelte Werk vor sich. Er kann nicht mehr auf den Komponisten zurückgreifen, um Auskünfte zu erhalten. Er muss interpretieren, d. h. er muss das Werk befragen, muss es auslegen und erklären. Er kann dabei davon ausgehen, dass der Komponist sein Werk so gestaltet hat, dass auch ohne seine Anwesenheit und erklärende Mitwirkung seine "Botschaft", seine Mitteilungsabsicht verstanden werden kann.

Aber selbst wenn der Rezipient alle vom Komponisten eingesetzten Gestaltungsmittel kennt, so ist das werk damit noch nicht erklärt. Der zeitliche Abstand und die Besonderheit einer Rezeptionssituation werfen grundsätzliche Fragen auf.

Der Hörer ist ein Kind seiner eigenen Zeit, sein Kunstgeschmack, seine Wertmaßstäbe, auch seine allgemeinen Lebenserfahrungen sind andere als die des Komponisten. Was haben wir mit Bach oder Schubert gemeinsam? Der Rezipient kann nicht einfach seine biographischen und gesellschaftlichen Erfahrungen beiseite schieben, wenn er sich als Hörer auf ein Musikstück einlässt, und voraussetzungslos in die Role eines Menschen und Künstlers aus dem 18. Jahrhundert schlüpfen. Aus solchen Voraussetzungen aber entsteht ein Vor-Verständnis, das das Hörerlebnis beeinflusst und das die Werkdeutung mitbestimmt. Wissen, Erfahrungen und Einflüsse aus der Gegenwart des Rezipienten, seine Rezeptionsbedingungen, fließen ein in den Prozess des Versehens und der Auslegung. Der Hörer rezipiert zwar das Werk und nimmt dabei die Mitteilungsabsicht des Komponisten wahr, aber alles, was er hört und empfindet, geht gleichsam durch den Filter seiner eigenen gegenwärtigen Wirklichkeitserfahrung. Der Hörer aktiviert das gehörte Werk mit Bezug auf sich selbst und setzt es auch in Beziehung zu seiner Lebenswirklichkeit.

Ein Kunstgenuss, der sich dieser Voraussetzungen nicht bewusst ist, gerät leicht in Gefahr, die eigenen Gefühle, so wie sie beim Hören ausgelöst werden, mit den Intentionen des gehörten Werkes bzw. seines Komponisten zu verwechseln. Das Interpretieren eines Werkes ist stets an das Wechselverhältnis von Rezeptionssituation und Werk gebunden. Verstehen ist gleichzeitig immer Verstehen des Werks und Verstehen der (Verstehens-) Voraussetzungen. Zwei unterschiedliche historische Situationen (Rezeptionssituation und Entstehungssituation des Werkes) treffen aufeinander und müssen miteinander in Verbindung gebracht werden. Eine solche Vermittlung als Grundlage des Verstehensprozesses bewusst zu machen, ist auch Aufgabe der ästhetischen Erziehung. Dadurch wird die Rezeption des musikalischen Kunstwerks (wie eines jeden anderen auch) mehr als nur eine bloß gefühlsmäßige Wahrnehmung. Der Hörer erkennt die Elemente von Kritik und Reflexion, die jedes Kunstwerk auch enthält. Dem bewussten Hörer muss es deshalb wichtig sein, sich Klarheit über Grundlagen und Voraussetzungen des Verstehens von Musik zu verschaffen.

Die bewusste Aneignung erscheint um so dringlicher, als die Rezeption in hohem Maße von der Aufführung beeinflusst wird. Aufführungspraxis aber ist Interpretation. Gerade die populäre Musikszene - aber nicht nur diese - liefert genug Beispiele für die übermächtig wirkende visuelle Inszenierung von Musik (Rockmusik, Videoclip, Schlager-Show), die die visuelle und akustische Wahrnehmung des Hörers total besetzt und damit auch die Funktionalisierung der Musik beliebig betreiben kann.

Intervall

Intervall (lat. intervallum = Zwischenraum, Entfernung) nennt man den Abstand zwischen zwei Tönen und zugleich deren Verhältnis zueinander. Intervalle können nacheinander erklingen, z. B. in einer Melodie, oder gleichzeitig, z. B. in einem Akkord. Die Intervalle werden nach den lateinischen Ordnungszahlen benannt. Üblich ist die Zählung von 1 (Prime) bis 8 (Oktave); alle größeren Intervalle (z. B. Oktave plus Sekunde = None, Oktave plus Terz = Dezime usw.). Je weiter zwei Töne über eine Oktave hinaus auseinanderliegen, desto weniger werden sie vom Gehör als zusammengehörig erfasst. Man unterscheidet zwischen reinen, großen und kleinen Intervallen. Reine Intervalle sind Prime, Quarte, Quinte, Oktave, Undezime. Als große oder kleine Intervalle können Sekunde, Terz, Sexte, Septime, None und Dezime auftreten. Durch die Erweiterung um einen Halbton werden reine und große Intervalle zu übermäßigen Intervallen. Verkleinert man reine und große Intervalle zu um einen Halbton, so werden sie zu verminderten Intervallen.

Die Intervalle, bezogen auf den Grundton c: (r = rein, ü = übermäßig, v = vermindert, g = groß, k = klein)

1. Prime

c - c = r 1                               c - cis = ü 1                          c - ces = v 1

2. Sekunde

c - d = g 2                              c - des = k 2                         c - dis = ü 2                                 c - deses = v 2

3. Terz

c - e = g 3                               c - es = k 3                           c - eis = ü 3                                 c - eses = v 3

4. Quarte

c - f = r 4                                 c - fis = ü 4                           c - fes = v 4

5. Quinte

c - g = r 5                                 c - gis = ü 5                          c - ges = v 5

6. Sexte

c - a = g 6                                 c - as = k 6                           c - ais = ü 6                                 c - asas = v 6

7. Septime

c - h = g 7                                 c - b = k 7                             c - his = ü 7                                c - bb = v 7

8. Oktave

c - c = r 8                                  c - cis = ü 8                           c - ces = v 8

Manche der hier aufgezeichneten Intervalle sind vom Klang her gleich, werden aber unterschiedlich notiert und eingeordnet (z. B. die übermäßige Prime und die kleine Sekunde oder die reine Quinte und die verminderte Sexte). Die Logik der Harmonielehre erfordert diese Unterscheidung.

Eine zusätzliche Bezeichnung wird für die übermäßige Quarte verwendet: Tritonus, das aus 3 Ganztönen bestehende Intervall, auch "diabolus in musica" (lat. = Teufel in der Musik) genannt. Der Tritonus erzeugt eine besonders starke harmonische Spannung. In der Musikgeschichte nimmt er eine Sonderstellung ein; zeitweise galt er als extrem dissonant (Dissonanz).

Im Mittelalter war es den Komponisten verboten, diesen Intervall zu verwenden. Seit dem 18. Jahrhundert wird der Tritonus - melodisch oder in Akkordbildungen - vorzugsweise zur musikalischen Darstellung von Klage, Tod, Schrecken und Unheimlichem verwendet.

Als Komplementärintervalle bezeichnet man diejenigen Intervalle, die ein gegebenes Intervall zur Oktave ergänzen (das Komplementärintervall der großen Sekunde ist die leine Septime, das der kleinen Sexte die große Terz, das der übermäßigen Quarte ist die verminderte Quinte usw.).    

Intonation

Intonation (lat.: intonare = losdonnern, laut ertönen lassen) bedeutet 1. das Anstimmen eines Gesanges (z. B. beim Chorsingen), 2. eine kurze instrumentale Einleitung (z. B. durch die Orgel zur Hinführung der Gemeinde auf den Anfangston des folgenden Kirchenliedes), 3. das richtige Treffen der Tonhöhe bei Vokal- und Instrumentalmusik, 4. auch die Ansprache des Tons bei Instrumenten (z. B. Streich- und Blasinstrumenten), 5. im Jazz die spezifische Art und Weise der Tongebung und Tongestaltung (z. B. dirty).

Intrada

Intrada (lat.: intrare = hineingehen) Ein Stück, das zur Eröffnung eines musikalischen oder anderen Ereignisses (zum Einzug der Ehrengäste, des Publikums, der Schauspieler) erklingt, wird seit dem 16. Jahrhundert als Intrada bezeichnet. Ausgehend von einem Trompetensignal wurde die Intrada im 17. Jahrhundert zu einem selbständigen Musikstück feierlichen Charakters, oft im Marschrhythmus, mit signalartiger Melodik und im homophonen Satz (einfache akkordische Begleitung).

Introduktion

Introduktion (lat.: introductio = das Einführen) oder Intro nennt man ein kurzes Vorspiel bzw. eine instrumentale Einleitung. Längere Introduktionen treten z. B. bei Walzern von Johann Strauß auf; hier wird der Hörer sehr intensiv auf das Kommende vorbereitet: Vorstellung von Teilen der Melodie, sich steigernde Dynamik, Spannung erzeugenden Rhythmus.

Introitus

Introitus (lat. = Eingang, Eintritt) ist der Gesang, der zu Beginn der Messe erklingt und den Gang des Priesters zum Altar begleitet. Es handelt sich in der Regel um einen Psalm mit Antiphon (wiederholter Vers). Im Gottesdienst reformierter Gemeinden der evangelischen Kirche ist der Introitus das Eingangslied nach dem Orgelvorspiel, in der Regel ein Choral auf der Basis eines Psalmtextes.

Invention

Invention (lat.: inventio = Erfindung). Der Begriff stammt aus der antiken Rhetorik (der Redekunst) und wird seit dem 16. Jahrhundert auch in Musiktheorie und Musikpraxis verwendet. In der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts ist die Invention ein formal freies Instrumentalstück. Berühmt sind Johann Sebastian Bachs zwei- und dreistimmige Inventionen für Klavier von 1722/23, in denen er verschiedene Techniken demonstriert, um eine musikalische Erfindung, einen musikalischen Gedanken zu formulieren, auszuarbeiten und in eine Form zu bringen.

J

Jam Session

Jam Session (engl.: jam = Gedränge, session = Sitzung) zwangloses Musizieren und Improvisieren von Jazzmusikern. Die Jam Session kann sich zufällig und spontan, z. B. in einem Jazzkeller ergeben, oder auch von Jazzklubs veranstaltet werden. Größere Konzerte, bei denen mehrere Gruppen auftreten, enden manchmal mit einer gemeinsamen Jam Session.

K

L